Internationalisierung der Ausbildung stärken – Auslandsaufenthalte im Rahmen der Praxisphasen an der Hochschule für Finanzen ermöglichen

Antrag der Fraktionen von CDU und Grünen im Landtag

Portrait Julia Eisentraut Februar 2023

I. Ausgangslage

Die Hochschule für Finanzen Nordrhein-Westfalen ist eine zentrale Ausbildungseinrichtung für die Laufbahngruppe 2.1 der nordrhein-westfälischen Finanzverwaltung. Im Rahmen eines du­alen Studiums werden hier jährlich mehrere Hundert Anwärterinnen und Anwärter auf hohem fachlichem Niveau auf ihre Tätigkeit in der Steuerverwaltung vorbereitet. Das Studium ist stark praxisorientiert und gliedert sich in wechselnde Phasen aus Theorie (an der Hochschule) und Praxis (in den Ausbildungsfinanzämtern des Landes).

Im Gegensatz zu Studierenden an Hochschulen haben Studierende im Beamtenverhältnis bis­lang keine Möglichkeiten, im Rahmen ihres Studiums Auslandserfahrung zu sammeln. Pro­gramme wie Erasmus+, die Studierenden anderer Hochschulen ein Auslandsstudium ermög­lichen, stehen ihnen nicht offen. Insbesondere internationale Praxisphasen im Ausland sind bislang nicht vorgesehen und durch bundesgesetzliche Regelungen wie das Steuerbeamten-Ausbildungsgesetz (StBAG) faktisch ausgeschlossen.

Die fest im Studienverlauf verankerten Praxisphasen eignen sich in besonderem Maße dazu, internationale Erfahrungen mit hohem praktischem Nutzen zu sammeln. In diesen Praxisab­schnitten erwerben die Studierenden praktische Kenntnisse in den verschiedenen Tätigkeits­feldern der Finanzverwaltung. Ein gezielter Aufenthalt in einer ausländischen Steuerverwal­tung, einem Ministerium, einer internationalen Organisation oder bei EU-Institutionen kann Studierenden wertvolle Einblicke in unterschiedliche Verwaltungsstrukturen und Arbeitsweisen ermöglichen. Dadurch können die Studierenden ihren fachlichen Horizont erheblich erweitern. Die Ausbildungsziele der Praxisphasen können grundsätzlich auch im Ausland erreicht wer­den, sofern eine fachlich adäquate Einsatzstelle gewählt wird und die Betreuung sichergestellt ist.

Zudem gewinnt die internationale Steuerkooperation im Zuge der Globalisierung und Digitali­sierung der Wirtschaft stetig an Bedeutung. Fragen der Doppelbesteuerung, Verrechnungs­preise, internationaler Informationsaustausch oder grenzüberschreitende Steuervermeidung betreffen auch die deutsche Finanzverwaltung auf Landesebene mit steigender Relevanz. Das Verständnis internationaler Standards wie BEPS (Base Erosion and Profit Shifting), OECD-Leitlinien oder EU-Richtlinien wird zunehmend wichtiger – auch in der Ausbildung. Ein prakti­scher Einblick in andere Steuersysteme kann diese Kompetenzen stärken.

Darüber hinaus leisten Auslandsaufenthalte einen wesentlichen Beitrag, beispielsweise zur persönlichen Entwicklung, zum Ausbau von Fremdsprachenkenntnissen, zum Erwerb interkul-tureller Kompetenzen und zur Förderung von Offenheit im Denken – Eigenschaften, die im öffentlichen Dienst und insbesondere im direkten Umgang mit Bürgerinnen und Bürgern von großer Bedeutung sind.

Ein solcher Schritt zur Internationalisierung der Ausbildung, wie ihn die Ermöglichung von Aus­landsaufenthalten im Rahmen der Praxisphasen bedeuten würde, kann auch dazu beitragen, die Attraktivität des dualen Studiums an der Hochschule für Finanzen weiter zu steigern. Zu­gleich würde ein solches Angebot zur langfristigen Nachwuchsgewinnung im öffentlichen Dienst beitragen.

Nordrhein-Westfalen kann hier eine bundesweite Vorreiterrolle einnehmen. Voraussetzung ist, dass die entsprechenden bundesrechtlichen Regelungen angepasst werden.

II. Beschlussfassung

Der Landtag stellt fest:

  1. Die Hochschule für Finanzen leistet einen zentralen Beitrag zur qualifizierten Ausbildung der Laufbahngruppe 2.1 der Finanzverwaltung in Nordrhein-Westfalen.
  2. Die Studierenden dort absolvieren ein anspruchsvolles duales Studium, das Theorie-und Praxisphasen miteinander verbindet. Im Vergleich zu Studierenden anderer Hoch­schulen bestehen jedoch bislang keine Möglichkeiten, einen Teil dieser Ausbildung im Ausland zu absolvieren.
  3. Internationale Erfahrungen fördern sowohl die fachliche als auch die persönliche Ent­wicklung der Studierenden. Interkulturelle Kompetenzen, Sprachkenntnisse und ein Ver­ständnis für andere Steuer- und Verwaltungssysteme sind in einer zunehmend vernetz­ten Welt auch für Beschäftigte der Steuerverwaltung von hoher Relevanz.
  4. Die Praxisphasen im dualen Studium bieten ein realistisches und rechtlich sowie orga­nisatorisch tragfähiges Zeitfenster, in dem ein begrenzter und gezielter Auslandsaufent­halt sinnvoll integriert werden kann – ohne die Studiendauer zu verlängern oder Ausbil­dungsziele zu gefährden.
  5. Derzeit bestehen jedoch bundesgesetzliche Hürden – insbesondere durch das Steuer­beamten-Ausbildungsgesetz (StBAG) –, die entsprechende Auslandsaufenthalte fak­tisch ausschließen.

Der Landtag Nordrhein-Westfalen begrüßt und unterstützt die Bestrebungen zur Internationa­lisierung des dualen Studiums in der Finanzverwaltung. Vor diesem Hintergrund beauftragt der Landtag die Landesregierung aus vorhandenen Mitteln,

  1. sich auf Bundesebene aktiv dafür einzusetzen, dass das Steuerbeamten-Ausbildungs­gesetz (StBAG) und gegebenenfalls weitere relevante bundesrechtliche Regelungen so angepasst werden, dass Praxisphasen des dualen Studiums in der Finanzverwaltung künftig auch im Ausland – insbesondere in kooperierenden Steuerverwaltungen inner­halb der EU – abgeleistet werden können.
  2. gemeinsam mit der Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen sowie der Hochschule für Finanzen ein Pilotkonzept zu entwickeln, das die Durchführung von Auslandspraktika im Rahmen der regulären Praxisphasen ermöglicht. Dabei sollen Kriterien für geeignete Einsatzstellen, Betreuungskonzepte und Anerkennungsverfahren erarbeitet werden.
  3. zu prüfen, ob und inwiefern Fördermöglichkeiten durch bestehende EU-Programme wie Erasmus+ oder durch landes- oder bundeseigene Programme erschlossen werden kön­nen, um Studierenden finanzielle und organisatorische Unterstützung zu bieten.
  4. den Austausch mit anderen Bundesländern zu suchen, um eine bundeseinheitliche Lö­sung zu befördern und Kooperationsmöglichkeiten zwischen den Finanzhochschulen der Länder zu fördern.
  5. dem Haushalts- und Finanzausschuss bei Bedarf über die Fortschritte zu berichten, ins­besondere über die Ergebnisse von Gesprächen auf Bundesebene, den Stand der Kon­zeptentwicklung und erste Erfahrungen mit Modellprojekten.