Grundschulpakt für Nordrhein-Westfalen

Antrag der GRÜNEN im Landtag

I.       Ausgangslage
In der Grundschule wird die Basis für eine gelingende Bildungslaufbahn junger Menschen gelegt. Jedes Kind startet mit eigenen Kenntnissen, Talenten, Lernzugängen und gegebenenfalls Handicaps. Dem wird u.a. mit flexibler Schuleingangsphase, jahrgangsübergreifendem Lernern und einem hohen Maß an individueller Förderung Rechnung getragen. So verwundert es auch nicht, dass Grundschulen stärker als andere Schulformen im umfassenden Verständnis inklusiv arbeiten. Das hohe Engagement und Verantwortungsbewusstsein der Lehrkräfte ist die Basis für die erfolgreiche Arbeit in der Grundschule. Die Wertschätzung dafür ist zu Recht gewachsen. Demgegenüber steht eine aus früheren Zeiten herrührende Schlechterstellung in der Besoldung bzw. Bezahlung. Sie resultiert aus der überholten Ansicht, dass die pädagogische Arbeit mit Kindern weniger wichtig und aufwändig ist, als die in der gymnasialen Oberstufe. Deshalb war früher die Ausbildung für das Lehramt Grund-, Haupt- und Realschule auch deutlich kürzer als für die Sekundarstufe II.
Das Land hat 2009 mit der Änderung der Lehrerausbildung die Studiendauer für alle Lehrämter vereinheitlicht. Damit entfällt die bisherige Begründung für ein niedriges Einstiegsgehalt für Grundschullehrkräfte aufgrund kürzerer Ausbildungszeit. Neue Absolventinnen und Absolventen haben nach übereinstimmender Einschätzung von Expertinnen und Experten einen Anspruch auf die Besoldungsstufe A13. Die Wertschätzung für die Arbeit der Lehrkräfte, die vor der Wirksamkeit der Reform in den Grundschuldienst gekommen sind und ihre durch die Praxis erworbenen und belegten Leistungen erlauben es nicht, diesen Lehrkräften eine Aufstockung auf A13 zu verwehren. Die Arbeit aller Lehrkräfte im Kollegium ist gleichwertig und muss sich auch in der Bezahlung widerspiegeln. Das gilt analog auch für die Lehrkräfte, die nach dem früheren Lehramt Grund-, Haupt und Realschule ausgebildeten Lehrkräfte in der Sekundarstufe I.
Die deutlich bessere Bezahlung in der Sekundarstufe II hat auch dazu geführt, dass Menschen, die sich für den Lehrerberuf entscheiden, eher das Lehramt Sekundarstufe II wählen. Als Folge haben wir eine sichtbare Schieflage. Es gibt deutlich mehr Absolventinnen und Absolventen für die Sekundarstufe II als es hierfür einen Bedarf gibt. Umgekehrt gibt es zu wenige Absolventinnen und Absolventen für das Grundschullehramt.
Die Zahl der unbesetzten Lehrerstellen hat mittlerweile ein Ausmaß erreicht, das zu Recht in der breiten Öffentlichkeit Besorgnis erregt. Dabei ist die Situation nach Schulformen und regional betrachtet sehr ungleich. An einigen Schulen ist die Abdeckung des Grundbedarfs nicht mehr gewährleistet bzw. gefährdet. Eltern sorgen sich, dass ihre Kinder den notwendigen Unterricht nicht erhalten, die Lehrkräfte beklagen die besondere Belastung, wenn sie den Mangel mit ausgleichen müssen.
Am stärksten ist dabei die Grundschule betroffen. Mit der Verlängerung der Studiendauer geht eine temporäre Lücke einher. Der Anstieg der Zahl der Grundschüler und Grundschülerinnen von 2015 -2016 um 20.000 war so nicht prognostizierbar und hat die Effekte verstärkt.
Daneben wirkt sich die Mangelsituation im Bereich der Sonderpädagogik auch besonders in der Grundschule aus, da die Grundschule die Schulform ist, in der am stärksten Inklusion umgesetzt wird. Das hat zu weiteren, deutlichen Mehrbelastungen geführt.
Schon die rot-grüne Landesregierung hatte auf die Lage reagiert: so wurden die Plätze für Lehramtsanwärter insgesamt um 1100 erhöht und die Zahl der Studienplätze für Sonderpädagogik um 2300 erhöht, allerdings braucht es mehrere Jahre, bis dadurch auch neue Kräfte auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Deshalb wurden weitere Maßnahmen ergriffen, die kurz- und mittelfristig greifen, wie eine berufsbegleitende Fortbildung für Sonderpädagogik, die Gewinnung von pensionierten Lehrkräften oder das Werben für eine Erhöhung der Stundenzahl bei Teilzeitlehrkräften, den Umstieg von Lehrkräften in die Grundschule sowie die Öffnung für den Seiteneinstieg.
II.      Notwendige Maßnahmen
Auf diesem Hintergrund ist es zu begrüßen, dass Schulministerin Yvonne Gebauer angekündigt hat, einerseits die Kapazitäten für die Lehrerausbildung weiter zu erhöhen und andererseits die das Maßnahmenpaket zur kurz- und mittelfristigen Verbesserung fortzuführen. Auch die zusätzlichen Stellen für multiprofessionelle pädagogische Kräfte sind eine wichtige und gute Maßnahme.
Doch die weiterhin äußerst angespannte Lage erfordert, dass die Maßnahmen zur Gewinnung von Lehrkräften attraktiver gestaltet werden, damit erheblich mehr Lehrkräfte davon Gebrauch machen.
So lässt die Weigerung der Landesregierung, Grundschullehrkräfte mit einem Einstiegsgehalt von A13Z zu besolden, die Maßnahmen nicht richtig greifen. Lehrkräfte erwarten, dass Politik weder bewusst noch unbewusst einfach darauf setzt, dass gerade die Grundschullehrkräfte angesichts der Notsituation in den Schule mit Blick auf „ihre“ Kinder bei aller Belastung sich verstärkt einsetzen.
Das darf nicht sein!
Gefordert sind handfeste Zeichen der Unterstützung und wirksame Maßnahmen.
Ein Zeichen sollte die Unterstützung von Schulleitungen sein. Die hohe Zahl der unbesetzten Leitungsstellen hängt auch damit zusammen, dass die Schulleitungsunterstützung an Grundschulen nicht ausreichend ist. Das Land sollte zügig in Gespräche mit den Kommunalen Spitzenverbänden über eine Verbesserung bezüglich der Verwaltungskräfte und technischen Kräfte- bzw. Hausmeisterstunden eintreten.
Drei Punkte sollten von Seiten des Landes sofort angegangen werden:
1.      Lehrkräfte, die das Angebot des Landes wahrnehmen und sich für eine Aufstockung der Stundenverpflichtung entscheiden, sollten rückwirkend zum 1.8.2018 in die Besoldungsstufe A13Z eingeordnet werden.
2.      Die Mehrstunden sollten auf einem individuellen Zeitkonto gutgeschrieben werden und in den Folgejahren, wenn die Situation entspannter ist als Entlastungsstunden die Unterrichtsverpflichtung reduzieren, ohne dass das Gehalt sinkt.
Damit würde das Angebot des Landes, die Stunden aufzustocken, wirklich attraktiv. Würden alle Lehrkräfte, die in der Grundschule arbeiten (46631 – Angaben laut Statistische Übersicht 399 vom Juni 2018, darunter viele Teilzeitkräfte), eine Stunde mehr Unterricht geben, würde das rechnerisch bedeuten, dass der Grundschule ein Stellenvolumen von mehr als 1600 Stellen zusätzlich zur Verfügung stehen würden. Einer Unterversorgung könnte damit wirksam begegnet werden. Gleichzeitig wären die Kosten überschaubar. Für den Fall, dass alle Grundschullehrkräfte sofort mehr Unterricht anbieten, würde die Aufstockung der A12-Stellen auf A13 rund 135 Millionen Euro kosten (Berechnung laut Finanzministerium Vorlage 17/6).
Es muss aber zudem klar und verbindlich geregelt werden:
Die Lehrkräfte, die aus persönlichen Gründen keine zusätzlichen Unterrichtsstunden anbieten können, müssen verlässlich und absehbar in die Höhergruppierung kommen.
3.      Wer jetzt mit einem Lehramt Sek I oder Sek II an der Grundschule einsteigt, erhält die Zusatzqualifikation und eine Besoldung nach A13.
Das Land hat Absolventinnen und Absolventen mit dem Lehramt Sekundarstufe II angeboten, eine sichere Stelle in der Sekundarstufe zu erhalten, wenn sie zuvor zwei Jahre an der Grundschule unterrichten. Die Schulministerin hat angekündigt, das Angebot zu erweitern um die Variante vier Jahre in der Sekundarstufe I zu unterrichten. Das Motto für SEK II Lehrkräfte an den Grundschulen darf aber nicht heißen: Wir sind gekommen, um zu gehen.
Die Lehrkräfte qualifizieren sich zusätzlich, die Grundschulen investieren in die Arbeit mit den neuen Kolleginnen und Kollegen. Der der Verbleib ist nicht attraktiv, weil damit ein Verbleib in A12 einhergeht.
Die Unterversorgung bleibt nach Einschätzung des Schulministeriums vom 24.8.2018 in der Grundschule und den Schulen der Sekundarstufe I in den nächsten 10 Jahren bestehen. Es ist deshalb notwendig, durch eine Bezahlung nach A13Z den Sek-II-Lehrkräften auch eine dauerhafte Perspektive an Grund- und Sek-I-Schulen zu bieten. Keine Lehrkraft soll aus finanziellen Gründen die Schule wechseln. Wir brauchen Attraktivität und Kontinuität statt Zwischenstation.
III.  Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
1.      Mit den Lehrerverbänden einen Grundschulpakt zu erarbeiten. Lehrkräfte sollen dabei von zu erwartender Mehrarbeit durch Aufstockung ihrer Verträge doppelt profitieren. Ein Stufenplan für die Umsetzung einheitliche Besoldung in Grundschule und Sekundarstufe I in der Legislatur wird darüber hinaus vereinbart.
2.      Die Lehrkräfte, die sich für das Angebot einer Aufstockung des Unterrichts entscheiden, sollen rückwirkend zum 1.8.2018 in die Stufe A13Z eingeordnet werden.
3.      Lehrkräfte mit der Lehramtsbefähigung Sekundarstufe II sollen bei einem Einsatz in Grundschulen bzw. Schulen der Sekundarstufe I ebenfalls in Stufe A13Z eingeordnet werden.
4.      Mehrstunden sollen auf ein individuelles Zeitkonto gutgeschrieben werden und in den Folgejahren als Entlastung wiedergegeben werden.