Pandemie wirksam bekämpfen, entschlossen handeln

Positionspapier

Mehrdad Mostofizadeh

Die Pandemie ist nicht vorbei. Im Gegenteil, die aktuellen Infektionszahlen sind auf Rekordhoch. Die steigenden Belegungszahlen in Kliniken und insbesondere der Intensivstationen sind besorgniserregend. Das medizinische Personal in den Krankenhäusern arbeitet seit Beginn der Corona-Krise am Limit.  Aufgrund der Überlastung des Personals und fehlenden Fachkräften können teilweise freie Betten nicht belegt werden. Nach mehr als anderthalb Jahren Pandemie müssen wir alles tun, um eine erneute Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern.

Die aktuelle Corona-Entwicklung kommt nicht überraschend. Seit Längerem warnen Wissenschaftler*innen vor der möglichen Wucht einer vierten Welle. Noch  liegen die Inzidenzen in NRW  unter dem Bundesdurchschnitt liegt, jedoch  ist auch hier eine erhebliche Dynamik bei den Neuansteckungen zu verzeichnen. Neben der prognostizierten und nun eingetroffenen „Pandemie der Ungeimpften“, führt die zu geringe Impfquote in Verbindung mit den aggressiveren Virusvarianten zu immer mehr Impfdurchbrüchen.

Die Landesregierung hat es wieder einmal versäumt, rechtzeitig Vorkehrungen zu treffen. Bereits im Juli diesen Jahres hatten wir die Landesregierung aufgefordert, tätig zu werden und ein Monitoring aufzulegen, um frühzeitig einen Corona-Anstieg erkennen und gegensteuern zu können. Wieder einmal reagierte die Landesregierung nur ablehnend auf die Ideen und Vorschläge der Opposition. Bis heute fehlt ein schlüssiges Gesamtkonzept zum Schutz der Bevölkerung für die Herbst- und Wintermonate. Das ist unverantwortlich.

Insbesondere müssen nun alte Menschen, Menschen mit Vorerkrankungen und diejenigen, die sich nicht impfen lassen können, vor Infektionen geschützt werden. Kinder und Jugendliche dürfen nicht wieder zu Leidtragenden der Pandemie werden und wir dürfen es nicht zulassen, Menschen in Alten- und Pflegeheimen wieder zu isolieren, um deren Schutz zu gewährleisten.

Durch diese Pandemie kommen wir nur gemeinsam und solidarisch. Das wichtigste Mittel zur Bekämpfung der Pandemie bleibt das Impfen. Gerade um ältere und vorerkrankte Menschen sowie Kinder und Personen, die sich nicht impfen lassen können, zu schützen, müssen wir die Impfquote weiter steigern. Die Landesregierung muss nun schnell ein Konzept vorlegen, wie insbesondere die Auffrischungsimpfungen organisiert und die Menschen darüber informiert werden sollen. Auch eine Antwort auf die Frage, wie die Verbesserung der Quote der Erstimpfungen weiter gesteigert werden soll, ist der Gesundheitsminister bislang schuldig geblieben. Leider hält der neue Ministerpräsident Hendrik Wüst offenbar an dem bisherigen Kurs des „Auf-Sicht-Fahrens“ der Landesregierung fest – das ist absolut fahrlässig und der Situation unangemessen.

Angesichts des dynamischen Infektionsgeschehens braucht es ein zielgerichtetes Schutzkonzept:

1. Gesamtstrategie zur Bekämpfung der Pandemie erarbeiten: Die Pandemie kann nur mit einer umfassenden Planung eingedämmt werden. Von Anfang an fehlte es an einer erkennbaren Gesamtstrategie, damit die jeweiligen Einzelmaßnahmen wirksam ineinander greifen können. Dazu fordern wir die Wiedereinrichtung des Expertenrates, der dieses Mal breiter aufgestellt die Landesregierung und das Landesparlament bei der Bekämpfung der Pandemie berät. Für die Abwägung konkreter Maßnahmen sowie einer vorausschauenden Planung ist die Meinung von Fachexpert*innen zu unterschiedlichen Themen, insbesondere im Bereich der Medizin, Rechtswissenschaft, Wirtschafft und Ethik unverzichtbar.

2. Kommunikation: Es bedarf dringend einer einheitlichen Kommunikation der Landesregierung.. Dazu gehört auch ein abgestimmtes Handeln mit den Kommunen, die für die tägliche Bekämpfung der Pandemie die Hauptverantwortung und Hauptlast tragen. Ihre Expertise ist unerlässlich, um die Pandemie einzudämmen.. Die mangelhafte Kommunikation führt auch dazu, dass wichtige und einfache Schutz- und Hygieneregeln wie das Masketragen im ÖPNV,  Abstand halten oder das Überprüfen von 2G/3G Regeln in der Gastronomie nicht konsequent eingehalten werden. Hier muss eine einheitliche Linie verfolgt und die Kapazitäten der Gesundheitsämter verstärkt werden.

3. 2G-Regel für Freizeitaktivitäten in Innenräumen einführen: Eine 2G-Regel in den Innenräumen als Regelfall ist angesichts der steigenden Zahlen unabdingbar. Insbesondere dort wo das Maskentragen und/oder die Abstandsregeln nicht eingehalten werden können (Gastronomie, Diskotheken, Clubs), ist dies dringend erforderlich. Zusätzlich dazu ist allen Betreiber*innen das Recht einzuräumen, zusätzlich zu der 2G-Regel (Schnell) Tests einzufordern. Ein solches Konzept würde es den Betreiber*innen trotz vergleichsweise hoher Zahlen ermöglichen, noch Veranstaltungen durchzuführen. Die Vorsichtsmaßnahme senkt das Infektionsrisiko und verhindert drastische Maßnahmen wie erneute Schließungen, die politisch und gesellschaftlich niemand möchte. Auch vulnerable Gruppen hätten eine deutlich größere Möglichkeit am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, wenn in Innenbereichen die Ansteckungsgefahr reduziert wird.

4. Durchstarten bei der Impfkampagne:

  • Es soll eine Auffrischungsimpfung für die vulnerablen Gruppen und Menschen über 70 Jahre, die nicht in Altenheimen und Einrichtungen wohnen, unverzüglich angeboten werden. Die vulnerablen Gruppen müssen gezielt angesprochen werden.
  • Des Weiteren müssen jetzt die Erstimpfungen für Kinder sowie die Auffrischungsimpfung für alle Altersgruppen vorbereitet werden, sodass eine Impfung nach Ausspruch einer entsprechenden Empfehlung zügig erfolgen kann. Auch hier sind gemeinsam mit den Kommunen und der Ärzteschaft umfangreiche Modelle aus Impfbussen, aufsuchenden Impfungen und Impfungen in Institutionen vorzubereiten.
  • Das Land darf die Kommunen mit der Organisation dezentraler Impfstellen nicht allein lassen. Die entstehenden Mehrkosten, die durch den Aufbau und Betrieb entstehen, muss das Land übernehmen.

5. Umfangreiches Werbe- und Kommunikationskonzept zur Unterstützung der Impfkampagne erarbeiten: Zur Erhöhung der Impfquote ist eine breite Impfkampagne mit klaren und einfachen Botschaften für alle Teile der Gesellschaft sowie weiterer zielgerichteter Botschaften für unterschiedliche Gruppen der Bevölkerung zu erarbeiten. Angesichts steigender Inzidenzen und einer erneut deutlich steigenden Belastung des Gesundheitssystems ist zu erwarten, dass eine Impfkampagne auch Wirkung zeigen kann. Zum Beispiel: offensive Impfkampagne: Straßenschilder, Impfspots, TV-Werbungen, zielgruppenorientierte Broschüren in verschiedenen Sprachen, die an die Menschen in ihren Lebenswelten verteilt werden sollen usw.

6. Impfpflicht für bestimmte Berufsbereiche: Angesichts der steigenden Inzidenzen und des deutlich steigenden Risikos für bestimmte Bevölkerungskreise, scheint  eine Impfpflicht für Beschäftigte in diesen Bereichen unausweichlich. Daher sollten zunächst in den Pflegeheimen, Krankenhäusern und vergleichbaren Bereichen eine entsprechende Pflicht angeordnet werden.

7. Maskenpflicht an Schulen wieder einführen: Die Maskenpflicht in den  Schulen gerade jetzt aufzuheben, war eindeutig ein Fehler. Die aktuellen Inzidenzahlen der Altersgruppe 10-14 Jahren beträgt aktuell 297,5 und der Altersgruppe zwischen 5-9 Jahren 297,1. Wir fordern die Landeregierung daher auf, zu handeln und die Maskenpflicht an den Schulen wieder einzuführen. Insbesondere für die Altersgruppen, die sich noch nicht impfen lassen können, bietet die Maske den wirksamsten Schutz vor einer Infektion.

8. Eine Testpflicht für alle Beschäftigten und eine 3G-Regel am Arbeitsplatz verpflichtend einführen: Die Angebotspflicht für Arbeitgeber*innen muss durch eine Testpflicht am Arbeitsplatz ergänzt werden. Gerade am Arbeitsplatz, wo sich die Menschen auf engem Raum regelmäßig für lange Zeit begegnen, muss eine Testpflicht eingeführt werden. Auch Geimpfte sind in regelmäßigen Abständen zu testen. Was für Schulen gilt, gilt erst recht am Arbeitsplatz. Trotz einer veränderten Lage durch die Impfung, sollten auch Geimpfte weiterhin regelmäßig getestet werden und auf engem Raum Masken tragen. Diese Sensibilität gilt natürlich besonders in Alten- und Pflegeheimen, Krankenhäusern und vergleichbaren Einrichtungen.

9. Kostenlose Schnelltests für alle ermöglichen: Die Beendigung der kostenlosen Schnelltests war ein Fehler. Diese sind unmittelbar wieder einzuführen und zumindest für eine Übergangszeit bis zum Jahresende für alle kostenlos zu belassen  Allerdings entfällt die Option des Freitestens (3G) für Freizeitbereiche. Nach Beendigung der kostenlosen Schnelltests Mitte Oktober 2021 war ein starker Rückgang bei den durchgeführten Tests zu beobachten. Gleichzeitig sind die Inzidenzzahlen und dementsprechend die Hospitalisierungsinzidenz und der Anteil der Covid-19-Patient*innen in Intensivstationen rasant gestiegen. Dabei droht ein Wegbrechen großer Teile der Testinfrastruktur und damit ein wichtiges Instrument zur Beobachtung des Infektionsgeschehens. Die Hoffnung, dass sich dadurch die Impfquote erhöhen würde, hat sich nicht bestätigt. Vor diesem Hintergrund haben wir für die AGS-Sitzung am 17.11.21 einen Bericht zum Thema beantragt:  „Was tut die Landesregierung um die Teststruktur in NRW aufrechtzuerhalten?“

10. FFP2-Masken in ÖPNV und 3G-Regel in Fernverkehr einführen: Angesichts der aktuellen Lage soll in allen öffentlichen Verkehrsmitteln das Tragen von FFP2-Masken wieder eingeführt werden. Im Fernverkehr soll zusätzlich zum Maskentragen auch die 3G-Regel eingeführt bzw. eingehalten werden.

11. Bereite Testreihen als Public Health Screening einführen: Das Instrument der anlasslosen Testungen großer Teile der Bevölkerung hat sich in Großbritannien als wichtiges Instrument zur Bekämpfung der Pandemie erwiesen. Public Health Screening zeigte sich dabei als effektiver Warnmechanismus und wichtige Kontrollmaßnahme des Infektionsgeschehens, was das schnelle Reagieren auf aktuelle Entwicklung ermöglicht.

12. Homeoffice und Entzerrung der Verkehre:

  • Wieder vermehrt Homeoffice anzubieten, wo dies betrieblich möglich ist sowie flexiblere Arbeitszeiten zur Entzerrung von Berufsverkehren.
  • Gerade im Schülerverkehr mehr Fahrzeuge einsetzen und Möglichkeiten der unterschiedlichen Schulanfangszeiten nutzen.

Wir fordern die Landesregierung auf, hierzu unmittelbar Entscheidungen und Verordnungen vorzulegen und dem Parlament dazu zu berichten. Wir erwarten, dass die Landesregierung am Mittwoch, dem 10.11.21 mit entsprechenden Informationen und Entscheidungen in den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales kommt. Sollte dies nicht der Fall sein, wird eine Sondersitzung des Parlaments in der nächsten Woche mit einer ausführlichen Unterrichtung unausweichlich sein. Wir fordern die Landesregierung auf, entsprechende Vorbereitungen zu treffen.

Das Handout als PDF