Fragen & Antworten zum Hambacher Wald

Die FAQ als PDF

Ist der Hambacher Wald nicht längst gerettet?

Das Kohleausstiegsgesetz und die Leitentscheidung von März 2021 legen den Erhalt des Hambacher Waldes fest. Es ist aber keineswegs gesichert, dass er überleben wird, wenn nicht schnellstmöglich Maßnahmen zur Sicherung und Unterstützung der natürlichen Funktionen des Waldes folgen. Deshalb setzen wir uns so vehement dafür ein, dass der Wald einen höheren ökologischen Schutzstatus erhält und in Besitz/Obhut einer öffentliche Stiftung übergeht, die sich um den Wald kümmert. RWE hat daran naturgemäß kein großes Interesse, sie wollen den Wald erst verkaufen, wenn die Rekultivierung des Tagebaus abgeschlossen ist. Das kann Jahrzehnte dauern. Die Landesregierung schaut mal wieder tatenlos zu.

Wer ist für die Rettung des Hambacher Waldes verantwortlich?

Die Landesregierung hat bis zum Herbst 2018 stets das Recht von RWE zur Rodung des Waldes betont. Noch im September 2018 hat sie eine Weisung erlassen, um RWE die Rodung des Hambacher Waldes zu ermöglichen – gegen große gesellschaftliche Widerstände. Die Weisung der Landesregierung zur Räumung des Waldes wurde im September 2021 vom Verwaltungsgericht Köln für rechtswidrig befunden. Im Jahr 2018 hatte bereits das Oberverwaltungsgericht Münster die Rodung des Hambacher Waldes nach einer Klage des BUND NRW untersagt. Es ist vor allem der Verdienst der Umwelt- und Klimabewegung, dass der Wald nicht mehr gerodet werden darf. Dabei hat sich Ministerpräsident Armin Laschet öffentlich erst zum Erhalt des Waldes bekannt, als diese Forderung im Abschlussbericht der Kohlekommission auftauchte und der politische Druck ihn dazu zwang.

Warum kritisieren die GRÜNEN die Räumung des Hambacher Waldes?

Die Landesregierung hat mit dem vorgeschobenen Grund des Brandschutzes die Räumung des Hambacher Waldes im Sommer 2018 ermöglicht. Sie hat sich damit zur Erfüllungsgehilfin von RWE gemacht und den größten Polizeieinsatz in der Geschichte dieses Landes zu verantworten, in dessen Zusammenhang ein Mensch gestorben ist. Wie das Verwaltungsgericht Köln im September 2021 festgestellt hat, war die Weisung der Landesregierung, den Wald zu räumen, rechtswidrig. Das Baurecht wurde nur vorgeschoben, um einen Grund für die Räumung zu haben und RWE die Rodung zu ermöglichen.

Es war früh absehbar, dass der Einsatz nicht nur rechtlich fragwürdig und unverhältnismäßig, sondern auch komplett sinnlos war. Die Landesregierung hätte nicht nur das Ergebnis der Kohlekommission abwarten müssen, sondern auch den Beschluss des OVG Münster, der für Mitte Oktober erwartet wurde und der am 5. Oktober.2018 in Form eines Rodungsstopps kam – drei Tage nach Beendigung des Polizeieinsatzes. Außerdem hatte sogar bereits die Stadt Kerpen die Landesregierung auf die zweifelhafte Begründung der Weisung des Bauministeriums hingewiesen.

Wie kam es zur Räumung im Herbst 2018?

Nachdem RWE die Rodungssaison 2017 wegen massiven Protesten aussetzte, erhöhte das Unternehmen den Druck auf die Landesregierung, eine Rodung ab dem 1. Oktober 2018 zu ermöglichen. Die Polizei Aachen und die betroffenen Kommunen weigerten sich aber, dem Antrag auf Räumung von RWE nachzukommen. Deshalb suchte die Landesregierung nach Rechtsgrundlagen, um selbst eine Räumung durchsetzen zu können, obwohl seit Sommer 2018 die Kohlekommission tagte und über einen Ausstieg aus der Braunkohle beriet. Am Ende wies das Bauministerium von Scharrenbach die Stadt Kerpen und den Kreis Düren über die Bezirksregierung an, den Wald zu räumen, da von den als bauliche Anlagen anzusehenden Baumhäusern eine akute Gefahr für Leib und Leben der Bewohner*innen ausgehe. Es war offensichtlich, dass diese Argumentation nur vorgeschoben war, die Kommunen mussten sich aber fügen. Die Räumung war nur mithilfe tausender Polizeibeamt*innen möglich und dauerte etwa drei Wochen. Am 19. September verunglückte ein Journalist beim Sturz von einer Hängebrücke tödlich. Trotzdem wurde die Räumung schon wenige Tage später fortgesetzt. Drei Tage nach Beendigung der Räumung entschied das Oberverwaltungsgericht, dass RWE den Wald vorerst nicht roden dürfe. Die Räumung war also vollkommen sinnlos geworden. Wir Grüne hatten schon vor Beginn der Räumung gewarnt, dass diese wegen offener Gerichtsentscheidungen und laufenden Beratungen der Kohlekommission unnötig sein könnten.

Was hat Armin Laschet mit dem Kohleausstieg zu tun?

Noch 2017 kritisierte die NRW CDU die rot-grüne Leitentscheidung, die den Tageabbau Garzweiler verkleinerte und damit die Heimat vieler Menschen rettete, und wollte von einem festen Ausstiegsdatum für den Kohleausstieg nichts wissen.

Im Oktober 2018 wollte Armin Laschet den Hambacher Wald noch räumen lassen, damit RWE ihn roden kann. Sein Versprechen, die Empfehlungen der Kohlekommission 1:1 umzusetzen, hat er nicht eingehalten.  Stattdessen hat er den stufenweisen Ausstieg für die Braunkohle verteidigt und sich dafür eingesetzt, dass die vermeintliche ? energiewirtschaftliche Notwendigkeit des Tagebaus Garzweiler II im Bundesgesetz festgelegt wird. Dies sollte eine objektive Prüfung, ob weitere Umsiedlungen wirklich noch notwendig sind, verhindern. Der Beschluss über den Kohleausstieg fällt zwar in die Amtszeit von Armin Laschet, zu einem Klimaschützer macht ihn das allerdings keineswegs. Denn die Notwendigkeit eines Kohleausstiegs bis 2030, um die Klimaziele der Bundesregierung erreichen zu können, negiert Armin Laschet bis heute vehement.

Was hatte die Kohlekommission mit dem Hambacher Wald zu tun?

Im Sommer 2018 kamen die Mitglieder der Kohlekommission zusammen, um einen Kompromiss zum Ausstieg aus der Kohleverstromung zu erarbeiten. Da der Konflikt um den Hambacher Wald zunehmend Beachtung fand, war RWE offenbar daran gelegen, noch vor Veröffentlichung der Kommissionsempfehlungen Fakten zu schaffen und den Hambacher Wald zu vernichten. Damit wäre ein wichtiges Argument zum vorzeitigen Stopp des Tagebaus Hambach verloren gewesen. Trotz der Unterstützung der Landesregierung bei der Räumung blieb der Wald erhalten. Im Januar 2019 forderte die Kohlekommission einen dauerhaften Erhalt des Hambacher Waldes. Diese Forderung fand auch Eingang in das Kohleausstiegsgesetz.

Was steht zum Hambacher Wald in der schwarz-gelben Leitentscheidung?

Die Festlegungen zum dauerhaften Erhalt des Hambacher Waldes aus dem Kohleausstiegsgesetz hat die Landesregierung auch in die Leitentscheidung von März 2021 übertragen. Darin wird auch die Entwicklung und Vernetzung mit umliegenden Waldgebieten gefordert. Trotzdem hat die LandesregierungEnde 2020 einen neuen Hauptbetriebsplan von RWE zugelassen, der dem Unternehmen weitere Abgrabungen östlich des Waldes erlaubt. Damit wird nicht nur eine Vernetzung mit den umliegenden Waldflächen erschwert, sondern es droht auch eine Verinselung des Hambacher Waldes durch den Tagebau. Hauptargument für die Fortführung des Tagebaus in diesem Bereich ist nicht die Kohleförderung sondern die Gewinnung von Erdmassen für die Stabilisierung der Böschungen. In einem unabhängigen Gutachten wird geprüft, ob das wirklich notwendig ist oder das nötige Material auch woanders her kommen könnte.

Was bedeutet das Urteil des Kölner Verwaltungsgerichts von September 2021 zur Räumung des Hambacher Waldes?

Das Urteil bestätigt, dass der Einsatz rechtswidrig war, weil die damals von Bauministerin Ina Scharrenbach als Begründung genannten Brandschutz-Bestimmungen nur vorgeschoben waren. Demnach ging es der Landesregierung tatsächlich nicht um die Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für die Waldbewohner*innen. Aus dem Inhalt der Weisung selbst und der Akten ergebe sich, dass das Baurecht nur „Vehikel“ dafür war, den Wald möglichst schnell zu räumen. Ziel der Räumung war es in Wahrheit, die Rodung zu ermöglichen. Das zeigt: Die Landesregierung hat ihre Macht missbraucht und sich rechtswidrig verhalten.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 8. September (Az.: 23 K 7046/18)

Die Landesregierung verweist darauf, dass während und nach der Räumung mehrere Gerichtsbeschlüsse die Rechtmäßigkeit der Räumung bestätigt haben – wer hat Recht?

Die drei Beschlüsse, auf die sich die Landesregierung beruft, sind alle im Eilrechtsverfahren ergangen. Das heißt, es handelte sich nur um vorläufige Entscheidungen. Die endgültigen Entscheidungen erfolgen erst am Ende der regulären Gerichtsprozesse, in denen eine viel eingehendere Püfung vorgenommen werden kann. Zu der Frage, ob die Weisung der Landesregierung rechtmäßig war, gab es bis vor kurzem kein Urteil und auch keine Entscheidung, die sich mit der Frage in der Tiefe befasst. Das kam erst mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts Köln.

Die Klage vor dem Kölner Verwaltungsgericht richtete sich gegen die Stadt Kerpen. Was hat die Landesregierung damit zu tun?

Aus der Urteilsbegründung geht hervor, dass das Gericht bei der Stadt Kerpen selbst eigentlich kein Fehlverhalten festgestellt hat. Die Stadt ist mit ihrer Räumungsanordnung lediglich der Weisung von  InaScharrenbachs Ministerium gefolgt und hat damit auch automatisch deren Begründung übernommen. Diese Weisung war deshalb Gegenstand des Gerichtsverfahrens. Das Verwaltungsgericht Köln hat nun festgestellt, dass sie rechtswidrig war. Faktisch hat das Gericht also über das Verhalten der Landesregierung und speziell das des Bauministeriums geurteilt.

Welche Entscheidungen hat die rot-grüne Landesregierung zur Braunkohle in NRW getroffen?

Die Zukunft der Energieversorgung im Allgemeinen und der Braunkohleverstromung im Speziellen war während der gesamten Regierungszeit ein Streitpunkt zwischen SPD und GRÜNEN. Wir GRÜNE konnten uns als kleiner Koalitionspartner nicht in jedem Punkt durchsetzen. Ohne uns GRÜNE hätte es aber folgende Erfolge für den Klimaschutz in NRW niemals gegeben:

Koalitionsverträge 2010 und 2012: Keine neuen Tagebaue

Bereits der Koalitionsvertrag von 2010 enthielt ein Bekenntnis zur schrittweisen Reduktion der Braunkohle und dem Verzicht auf neue Tagebaue. Diese Passage wurde wortgleich in den Koalitionsvertrag von 2012 übernommen. Zu dem Zeitpunkt war ein solches Bekenntnis für den Koalitionspartner SPD ein großer Schritt, bei dem es zum Glück nicht blieb.

  • Entscheidung der Landesregierung zur Verkleinerung des Tagebaus Garzweiler II im Jahr 2014

Im Frühjahr 2014 entschied die Landesregierung die Verkleinerung des Tagebaus Garzweiler II.

Zum damaligen Zeitpunkt stand die Entscheidung des dritten Umsiedlungsabschnittes von Garzweiler II an. Wir GRÜNE haben diese mitgetragen. Gleichzeitig haben wir erreicht, dass die energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen für den vierten Umsiedlungsabschnitt, dessen Umsetzung ab 2030 angestanden hätte, überprüft wurden. Das führte dazu, dass die Umsiedlungen im Tagebau Garzweiler II des dritten Umsiedlungsabschnittes noch durchgeführt werden, die des vierten jedoch nicht mehr. Die genauen Abbaugrenzen sollten in einer neuen Leitentscheidung festgelegt werden. Damit konnten wir mindestens 1.400 Menschen vor der Umsiedlung bewahren und mindestens 300 Millionen Tonnen Braunkohle unter der Erde bleiben.

  • Leitentscheidung 2016

In einem zweijährigen Prozess wurde auf der Basis der Entscheidung der Landesregierung eine neue Leitentscheidung erarbeitet. Darin werden Entscheidungen unter anderem.a. zur Verkleinerung des Tagebaus Garzweiler II inklusive eines Mindestabstands zur Wohnbebauung und Vermeidung einer „Insellage“ der Ortschaft Holzweiler und zur Lage sowie Gestaltung des Restsees in Garzweiler II festgelegt. Zudem ist darinein Bekenntnis zur proaktiven Gestaltung des Strukturwandels formuliert.

Wir GRÜNE hätten uns auch schon zu diesem Zeitpunkt ein festes Ausstiegsdatum aus der Braunkohle und eine sehr viel weitgehendere Verkleinerung – auch der anderen Tagebaue – gewünscht. Dies konnten wir leider nicht durchsetzen. Aber die Verkleinerung des Tagebaus Garzweiler II hätte es ohne GRÜNE in der Regierung nicht gegeben. Diese Entscheidung war der Einstieg in den Ausstieg aus der Braunkohlenutzung.

Grundlage für die Leitentscheidung waren die geänderten energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Beim Beschluss der SPD-Landesregierung zur Erschließung des Tagebaus Garzweiler II im Jahr 1995 betrug beispielsweise der Anteil Erneuerbarer Energien 4,7 Prozent am Stromverbrauch. Im Jahr 2015 lag er bereits bei 31,3 Prozent. Bis zum Jahr 2030 sollte sich nach Plänen der Bundesregierung der Anteil auf 50 Prozent erhöhen. Die energiewirtschaftliche Notwendigkeit für weitere Umsiedlungen über das Jahr 2030 hinaus ließ sich folglich nicht mehr weiter aufrechterhalten. In der Leitentscheidung zur Verkleinerung von Garzweiler II wird für keinen der Tagebaue ein Zeitpunkt des Abbau-Endes definiert.

Weitere Entscheidungen, zum Beispiel zu Umsiedlungen, waren direkte Folge der bisherigen Entscheidungen zum Braunkohlenabbau und lagen in der Verantwortung der zuständigen Behörden und Ministerien.

Haben die Grünen NRW oder die Grüne Landtagsfraktion ihre Position verändert, seitdem sie nicht mehr Teil der Landesregierung ist?

Nein, die GRÜNEN NRW haben schon zu Regierungszeiten weitergehende Maßnahmen mit dem Ziel eines möglichst schnellen, vollständigen Kohleausstiegs gefordert, analog zum Wahlprogramm von 2012. Im Wahlprogramm zur Landtagswahl 2017 haben wir einen nationalen Kohlekonsens und einen Kohleausstieg in den kommenden zwei Jahrzehnten gefordert. Für den Erhalt des Hambacher Waldes setzen wir uns schon seit vielen Jahren ein. Inzwischen wissen wir, dass es technisch möglich und klimapolitisch notwendig ist, dass wir bis 2030 aus der Kohleverstromung aussteigen. Daher muss nicht nur der Hambacher Wald sondern genauso die von Umsiedlungen bedrohten Dörfer am Tagebau Garzweiler II erhalten bleiben.

Wie geht es mit den Dörfern am Tagebau Garzweiler weiter?

Die Leitentscheidung der Landesregierung von März 2021 gewährt den Dörfern am Tagebau Garzweiler eine Gnadenfrist bis 2026, erst dann soll über Erhalt oder Abriss endgültig entschieden werden. Logische Konsequenz der neuen Ziele des Bundesklimaschutzgesetzes muss der Kohleausstieg bis 2030 sein, sodass keine Dörfer mehr für die Kohle abgerissen werden. Es gleicht an Realitätsverweigerung, dass sowohl Landesregierung als auch Bundesregierung nicht bereit sind, vom bisherigen Ausstiegsdatum 2038 abzurücken und Klarheit für die Menschen in der Region zu schaffen. RWE geht weiterhin davon aus, dass der Abriss der Dörfer nur um wenige Jahre verschoben ist. Das Unternehmen verschweigt bislang, dass der dauerhafte Erhalt möglich ist. Eine Bedingung für ein Vorziehen des Kohleausstiegs ist der Ausbau der Erneuerbaren Energien, wie schon die Kohlekommission klargestellt hat. Mit Entscheidungen wie der Einführung fester Mindestabstände für neue Windenergieanlagen erschwert die Landesregierung den weiteren Ausbau allerdings und arbeitet damit aktiv daran, den klimapolitisch notwendigen Kohleausstieg bis 2030 unmöglich zu machen.