Wandel der Ernährung – Wandel der Landwirtschaft

Tag der gesunden Ernährung

Portrait Norwich Rüße

Gesunde und bewusste Ernährung boomt. Nachdem hierjahrzehntelang die Devise „immer mehr für immer weniger Geld“ galt, fragen die Menschen zunehmend, ob dieser Weg der richtige war. Der stärkere Fokus der Verbraucher*innen auf eine gesunde Ernährung und den bewussten Umgang mit Lebensmitteln fordert jetzt auch ein Umdenken in der Landwirtschaft. Das immer Mehr an Fleisch und tierischen Produkte zu immer günstigeren Preisen wurde in Wirklichkeit teuer erkauft. Den Preis dafür zahlen Umwelt und Natur, ebenso wie unsere Gesundheit, die Nutztiere und die Landwirtschaft im Gesamten.

Global steigt der Konsum von Fleisch und Milchprodukten stetig weiter. Das führte und führt auch in Zukunft zu massiven Landnutzungsänderungen, einzigartige Naturräume wie die Regenwälder in Südamerika werden dadurch bedroht. Eine Rolle spielt dabei auch die wachsende Nachfrage nach Soja als Viehfutter und die damit verbundene Intensivierung seines Anbaus. Aber auch in Europa verändert die intensive Viehhaltung die Landnutzung. Die Äcker werden immer intensiver bewirtschaftet, um höhere Futterernten zu erzielen. Gleichzeitig verengt sich der Anbau auf dem Acker auf nur noch wenige, besonders ertragreiche Kulturen. Ähnliches gilt für das Grünland. Wo früher Kühe und Rinder auf der Weide standen, wird heute das Gras intensiv gedüngt und vier- bis fünfmal geschnitten. In Wechselwirkung steht dies auch mit einer anderen Art der Viehhaltung.

Die Weidehaltung von Milchkühen ist bei den meisten Betrieben Geschichte, die Kühe werden das ganze Jahr über im Stall gehalten. Die Beweidung des Grünlandes fehlt aber – die Kuhfladen boten Insekten eine Lebensgrundlage und die Weideflächen den Vögeln Nistplätze. Das alles bedroht die Artenvielfalt in unserer Kulturlandschaft.

Auch Schweine und Geflügel verschwanden mit der zunehmenden Massentierhaltung von den hofnahen Weiden und werden heute ganzjährig im Stall gehalten. In den Ställen dominieren Spaltenböden, weil sie die Arbeit erheblich erleichtern. Dadurch fehlt aber gerade Schweinen die Einstreu als Wühlmaterial und damit die Möglichkeit, ihr arteigenes Verhalten auszuleben. Die immer weitere ökonomische Perfektionierung führte in letzter Konsequenz dazu, dass die Tiere den Stallanlagen angepasst wurden (etwa durch Schnäbelkürzen, Schwänze kupieren, Enthornen), anstatt die Ställe für die Tiere optimal zu gestalten.

Dieser Prozess erreichte vor etwa zehn Jahren mit einem letzten Bauboom großer Mastanlagen seinen Höhepunkt. Massentierhaltung und Lebensmittelskandale führten jedoch zu einer Reaktion in der Bevölkerung – Bürgerinitiativen im ländlichen Raum ebenso wie die breite Medienlandschaft stellten die Frage, ob diese Form der Tierhaltung ethisch und ökologisch noch vertretbar sei. Gleichzeitig fordern Expert*innen wie in dem Gutachtens des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik zur Zukunft der Nutztierhaltung sowie unlängst in dem Bericht der sog. Borchert-Kommission einen Umbau der Tierhaltung, hin zu mehr Tierwohl und Umweltschutz.

Der stetige Bewusstseinswandel hat heute eindeutige Folgen: Der Pro-Kopf-Konsum von Schweinefleisch in Deutschland ist in diesem Jahrzehnt von 40 auf 32 kg zurückgegangen und die Zahl der Vegetarier*innen und Veganer*innen ist so groß wie nie zu vor.

Der immer höhere Konsum von Fleisch, Wurst, Eiern und Milchprodukten wurde erst möglich durch die immer intensivere und dadurch immer billigere Produktion tierischer Lebensmittel. Ein zu hoher Fleischkonsum hat auch negative Auswirkungen auf unsere Gesundheit, so empfiehlt die DEG (Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V.) etwa, den aktuellen Konsum zu halbieren. Angesichts eines Ernährungstrends, in dem gesundheitliche Aspekte einen immer größeren Stellenwert bekommen haben, muss die Landwirtschaft ihr Geschäftsmodell überdenken. Es geht nicht mehr darum, konzentriert Proteine und Kalorien im Übermaß anzubieten. Und es geht auch nicht mehr darum, satte Menschen hungrig zu machen – wodurch Übergewicht zu einem der größten gesundheitlichen Risiken unserer Zeit geworden ist.

Nein, es muss um eine moderne Ernährung gehen, die lecker ist und uns gesund hält, aber gleichzeitig auch eine gute Tierhaltung ermöglicht und die „Planetaren Grenzen“ nicht sprengt. Eine solche „Planetary Health Diet“ hält uns und die Erde fit. Für die Landwirtschaft bedeutet eine solches Ernährungsszenario einen erheblichen Anpassungsdruck. Es ist zu vermuten, dass sich der Trend fortsetzt und Kunden in den nächsten Jahren deutlich weniger Fleisch und Wurst kaufen, aber dafür immer häufiger wissen wollen, wie denn die Tiere gelebt haben, bevor sie geschlachtet wurden. Und eventuell verdient ein Landwirt in Zukunft mehr mit der Beweidung von Flächen als mit dem Fleisch der Tiere, die auf den Flächen geweidet haben. Die Landwirtschaft der Zukunft stellt die artenreiche, vielfältige Landschaft, die wir heute nur noch als Idylle auf den Verpackungen sehen, durch eine reduzierte Intensität und eine flächenangepasste Tierhaltung her. Und wir als Konsument*innen bezahlen nicht mehr länger nur für ein Stück Butter oder ein Schnitzel, sondern dafür, dass die Bäuerinnen und Bauern möglichst ressourcenschonend, tierfreundlich und naturnah wirtschaften. Damit erhielten die Bäuerinnen und Bauern wieder die gesellschaftliche Anerkennung, die sie derzeit so oft vermissen. Gleichzeitig wäre es ein wesentlicher Gewinn für Tiere, Landschaft und Umwelt. Und schließlich könnte ein solches „Ernährungsbündnis“ zwischen Bauern und Konsumenten auch der Weg sein, um das jahrzehntelange „Wachsen oder Weichen“ in der Landwirtschaft zu beenden und Bäuerinnen und Bauern neue, langfristige Perspektiven jenseits einer immer weiteren Agrarintensivierung zu ermöglichen.